Infinitiv im einfachen Satz Der Infinitiv und Infinitivgruppe kommen oft als Bestandteil biverbaler Wortgruppen im Prädikat vor: z.B. Quam the man Wasser bittan. – Es kam ein Mann Wasser bitten. Die Dativform des Infinitivswird mit der Präposition zi (zu)gebraucht: z.B. Gibôt her thô zigebanne iru eƷƷan. – (Er) befahl, ihr essen zu geben. 35. Der syntaktische Aspekt des Althochdeutschen (Allgemeines über die syntaktischen Typen der Sätze). Die ersten althochdeutschen Sprachdenkmäler zeigen verschiedene Typen von zusammengesetzten Sätzen. Die Anzahl von Modellen solcher Sätze und Arten der Verbindungsmöglichkeiten im Rahmen des zusammengesetzten Satzes ist natürlich viel geringer im Vergleich zu moderner deutscher Sprache. Aber dieses Teilgebiet der Syntax kennzeichnete sich in der Folgezeit durch relativ rasche Entwicklung und Vervollkommnung. Die Satzreihe Die Verbindung der Einzelsätze in der Satzreihe hat im Althochdeutschen zwei Hauptmodelle: a) konjunktionslose Verbindung z.B. Sum man habêt zuuênê suni, ic uueiƷu sie. – Ein Mann hat zwei Söhne, ich kenne sie. b) konjunktionale Verbindung In der Rolle der Verbindungmittel treten oft auf: inti (und), ioh (und), doh (doch), abur (aber), odo (oder). Diese Konjunktionen erfüllen koordinierende Funktion. z.B. Mih hungrita inti ir gâbut mir eƷƷan. –Mich hungerteund ihr gabt mir zu essen. Ther fater habêta zi faran, abur thie liuti bigunnun inan frâgên. – Der Vater musste fahren, aber die Leute begannen, ihn zu fragen. Kausale und finale Verbindung zwischen den Teilen in der Satzreihe ist dem Ahd. nicht eigen. Das Satzgefüge Im Althochdeutschen zeigen sich fast dieselben Arten der Nebensätze, die im heutigen Deutsch sind, und zwar: Subjekt-, Objekt-, Attribut-, Prädikativ- und Adverbialsätze. Der Subjektnebensatz umschreibt eine Person und wird vorwiegend durch das Relativpronomen ther, thiu, thaƷ, sô hwer sô (wer) und durch das unflektierte thie eingeleitet; im Hauptsatz stehen oft die Korrelate ther, thie und andere. z.B. Her ist ther ther Hiltibrant riufan. – Er ist der, der Hildebrant gerufen wird. Prädikativsatz. Diese Form des Nebensatzes ist im Ahd. nicht häufig. Als Bindeelemente sind Relativpronomen ther, thiu, thaƷ und das unflektierte thiu: z.B. ThiƷ ist, then man eƷƷan megi. – Das ist das, was man essen könnte. Objektsatz. Berichtende Objektsätze werden durch die Konjunktionen dat, thaƷ (dass) eigeleitet: z.B. Ic zalta, thaƷ her min fater sei. – Ich erzählte, dass er mein Vater ist (sei). Fragende Sätze ohne Fragewort werden durch die Konjunktionen oba (ob) eingeleitet. Dazu dienen auch Relativpronomen: hwer (wer), hwaƷ (was), huuelîh (welher). Beispiele: Thu fragist,oba ic inon minnu. – Du fragst, ob ich ihn liebe. Her frâgtâ, hwer sîn fater warî. – Er fragte, wer sein Vater sei (ist). Attributsatz. Die meisten Attributsätze werden durch das Relativpronomen ther, thiu, thaƷ, thie eingeleitet: Sie forstuontun thaƷ uuort, thaƷher sprach zi in. – Sie verstanden die Worte, die er zu ihnen sagte. Wir hulfun zî therum man, ther ward stumman. – Wir halfen dem Mann, der stumm war. Adverbialsätze: Temporalsätze (Konjunktionen: thô, thar, sô – da, also, thaƷ– als, mit thiu – als, während, afte thiu – nachdem u.a.): z.B. Er ward frou thô that sehenti. – Er war froh, als er das sah. Kausalsätze (Konjunktionen: uuanta, bithiu, uuanta bithiu, mit thiu – weil / da): z.B. Bithiu her min scalk ist, her gihort ni dir. – Da er mein Diener ist, gehört er dir nicht. Finalsätze werden durch die Konjunktionen thaƷ (dass) und so thaƷ (so dass) eingeleitet: Gib imo Brot thaƷ er eƷƷan inti sagan maget. – Gib ihm Brot, damit er essen und reden kann. Bedingungssätze werden durch die Konjunktionen ibu, oba (wenn) eingeleitet: Oba thû uuas mugis, hilf uns. – Wenn du etwas (tun) kannst, hilf uns. 36. Schriftliche Quellen der althochdeutschen Periode. Ausbildung und Schrifttum hatten in der althochdeutschen Zeit einen deutlich ausgedrückten klerikalen Charakter. Zum hauptesten Mittel der Ideologie wurde die lateinische Sprache. Die Volksprache wurde in den kirchlichen Schulen nicht gelernt. Man benutzte sie aber beim Studium der lateinischen Sprache. Die Aufnahmen zu lateinischen Texten bekamen den Namen Glossen (Notizen). Das lateinische Alphabet wurde im Althochdeutschen für die deutsche Sprache übernommen. Hierbei kam es einerseits zu Überschüssen an Graphemen wie <v> und <f> und andererseits zu ungedeckten deutschen Phonemen wie Diphthonge, Affrikaten (wie /pf/, /ts/, /tʃ/), und Konsonanten wie /ç/ <ch> und /ʃ/ <sch>, die es im Lateinischen nicht gab. Im Althochdeutschen wurde für das Phonem /f/ auch hauptsächlich das Graphem <f> verwendet, sodass es hier fihu (Vieh), filu (viel), fior (vier), firwizan (verweisen) und folch (Volk) heißt. Der erste althochdeutsche Text ist der Abrogans, ein lateinisch-althochdeutsches Glossar. Generell besteht die althochdeutsche Überlieferung zu einem großen Teil aus geistlichen Texten (Gebeten, Taufgelöbnissen, Bibelübersetzung); nur vereinzelt finden sich weltliche Dichtungen (Hildebrandslied, Ludwigslied) oder sonstige Sprachzeugnisse (Inschriften, Zaubersprüche). Der so genannte „Althochdeutsche Tatian“ ist eine Übersetzung der Evangelienharmonie des syrisch-christlichen Apologeten Tatianus(2. Jh.) in das Althochdeutsche. Er ist zweisprachig (lateinisch-deutsch). Die einzige erhaltene Handschrift befindet sich heute in St. Gallen. Der Althochdeutsche Tatian ist neben dem Althochdeutschen Isidor die zweite große Übersetzungsleistung aus der Zeit Karls des Großen. Das Hildebrandslied ist um die Zeit der Völkerwanderung (zwischen 400 und 600 uZ) entstanden. Es ist das einzig überlieferte Textzeugnis eines Heldenlieds germanischen Typs in der deutschen Literatur. Das Hildebrandslied wurde um 830–840 von zwei unbekannten Fuldaer Mönchen in hauptsächlich althochdeutscher Sprache aufgezeichnet. Stabreimgedicht besteht in herkömmlicher Zählung aus 68 Langversen. AlsEndpunkt der althochdeutschen Textproduktion wird oft auch der Tod Notkers in St. Gallen 1022 definiert. (Notker war der berühmte Mönch der Klosterschule in St. Gallen. Er übersetzte vom Latein eine Reihe von klassischen und klerikalen Werken). 37. Der Umlaut im Mittelhochdeutschen (Die weitere Entwicklung des Umlauts). Die Varianten der Vokalphoneme, die im Althochdeutschen unter dem Einfluss des -i-(-j-)-Umlauts entstanden waren, übernahmen in der mittelhochdeutschen Zeit in Verbindung mit der Abschwächung des i zu e [ə] in den Endsilben, d. h. in der Flexion, eine sinnunterscheidende Funktion und wurden deswegen phonologisiert. Als Beispiel soll die Pluralbildung bei den Substantiven der i-Deklination dienen: ahd. gast – gesti > mhd. geste. Während im Althochdeutschen die Hauptrolle bei der Bildung dieser Formen dem -i- zukam, gehört sie im Mittelhochdeutschen schon dem Umlaut. Sie verhütet auch die Homonymie von Nom., Akk. Pl. und Dat. Sg.: ahd. N. Sg. korb – D. Sg. korbe – N., A.. Pl. korbi mhd. N. Sg. korb – D. Sg. korbe – N., A. Pl. körbe Die Entwicklung des Umlauts zur inneren Flexion. Auf Grund des Umlauts kam es in den Wortformen vieler Wörter zu einem Wechsel der Vokalphoneme, der zu einem verbreiteten Mittel der Formenbildung, d.h. zur inneren Flexion wurde: 1) als Kennzeichen des Plurals: ahd. gast – PI. gesti 'Gäste'; kraft – PI. krefti 'Kräfte'; lamb – PI. lembir 'Lämmer', entsprechend mhd. gast – geste, kraft – krefte, lamb – lember; 2) als Kennzeichen der Steigerungsformen des Adjektivs: ahd. alt 'alt' – Komp. eltiro – Superl. eltisto → mhd. alt – elter – eltest; 3) als Kennzeichen des Präteritums Konjunktiv: ahd. helfan 'helfen' – 1. P. Sg. Prät. Konj. hulfi ' (ich) hälfe, hülfe' → mhd. helfen – hülfe; 4) als Kennzeichen der 2. und 3. P. Sg. Präs. der starken Verben: ahd. faran 'fahren' – 2. P. Sg. Präs. feris(t) '(du) fährst* – 3. P. Sg.Präs. ferit '(er) fährt' mhd. faren – 2. P. Sg. Präs. ferest –3. P. Sg. Präs. feret. Der Umlaut bekam auch große Verbreitung in der Wortbildung: mhd. kraft 'Kraft' – kreftic 'kräftig' mhd. adel 'Adel' – edete 'edel' (ahd. adili) mhd. hoch 'hoch' – hoehe 'Höhe' (ahd. hôhî) mhd. jâmer 'Jammer' – jæmerliche 'jämmerlich' mhd. hof 'Hof – hövesch 'höfisch' 'wohlerzogen' mhd. jagen 'jagen' – jeger(e) 'Jäger' mhd. gruoƷ 'Gruß' – begrüeƷen 'begrüßen' mhd. fallen 'fallen' – fellen 'fällen'. 38. Die neuen Vokalphoneme des Mittelhochdeutschen. Die neuen Vokalphoneme des Mittelhochdeutschen sind folgende: 1) kurze Vokale ä – der Sekundärumlaut des kurzen a (offener als das e: mähtec 'mächtig' (ahd. mahtig), ärze 'Erz' (ahd. aruzi, arizi, ariz); ö – Umlaut des kurzen o: öl 'Öl' (ahd. olei, oli), möchte (ahd. mohti); ü – Umlaut des kurzen u: künec 'König' (ahd. kuning, kunig), gürtel 'Gürtel' (ahd. gurtil); 2) lange Vokale æ – Umlaut des â: mære 'Erzählung', 'Sage' (ahd. mari, nhd. Mär, Märchen); kæse 'Käse' (ahd. chasi, case); œ – Umlaut des ô: schœne 'schön' (ahd. skoni), hœhe 'Höhe' (ahd. hôhî); 3) Diphthonge öu,eu – Umlaut des Diphthongs ou: tröumen 'träumen' (ahd. troumen >*troumjan zu troum 'Traum'); vröude 'Freude' (ahd. frawida, frewida, frowida); üe – Umlaut des Diphthongs uo: güete 'Güte' (ahd. guoti); süeƷe 'süß' (ahd. suoƷi). |