Die weitere Ausdehnung der zweiten Lautverschiebung Das Vordringen der zweiten Lautverschiebung in den mitteldeutschen Sprachraum dauerte im mittelhochdeutschen Zeitalter an. Am Rhein, d. h. im Fränkischen, bildeten sich in dieser Zeit die heutigen Grenzlinien für die einzelnen Erscheinungen der zweiten Lautverschiebung heraus. Die Grenzen der zweiten Lautverschiebung griffen auch auf den ostmitteldeutschen Sprachraum über. Das Ostmitteldeutsche hatte machen, ich, dorf, helfen, daƷ, dohter, pfund / fund, appel. Das niederdeutsche Gebiet ist nach wie vor von der zweiten Lautverschiebung ausgeschlossen. Es heißt hier maken, ik, dorp, helpen, dat, dohter, pund, appel. Das Vordringen der zweiten Lautverschiebung dauert auch in der frühneuhochdeutschen Periode an. Die zweite Lautverschiebung hatte nachhaltige Bedeutung für die Herauskristallisierung des Althochdeutschen. Sie vertiefte die Unterschiede in den phonetischen Systemen des Oberdeutschen(Mitteldeutschen) und des Niederdeutschen. 17. „Vernersches Gesetz“ (Karl Adolf Werner). Das Indogermanische hatte ursprünglich einen freien Akzent, so dass in verschiedenen Flexionsformen desselben Wortes der Hauptton auf verschiedenen Silben liegen konnte (Vgl. russ. рука – Nom., руку – Akk.). Das Germanische legte den Akzent auf die erste Silbe des Wortes fest, die fast immer die Stammsilbe ist. Diese Entwicklung erfolgte später als die Verschiebung der idg.p, t, k zu f, þ, ch. Die germanische Neuerung war von weitreichenden Folgen. Durch sie wurde die germanische Stabreimdichtung (lautliche Organisation der Rede; oft in der Poesie) möglich. Für die sprachliche Weiterentwicklung bedeutet das Festlegen des Haupttons auf die Anfangssilbe, dass die folgenden Silben immer tonschwächer wurden und schließlich ganz schwinden konnten. Hiervon sind in den germanischen Sprachen vor allem die Flexionsendungen betroffen worden. Diese Erscheinungen beschreibt der Däne Karl Adolf Werner (1846-1896). Die systematisierten Daten vom regelmäßigen Wechsel der stimmhaften und stimmlosen Lauten je nach der Stelle des Akzents in der indoeuropäischen Grundsprache sind im Vernerschen Gesetz (1877) dargestellt. (Jacob Grimm nannte diese in seiner Zeit noch nicht erklärbaren Ausnahmen der ersten Lautverschiebung "grammatische Wechsel".) Bestanden zu der Zeit der Akzentfestlegung bereits untrennbare Zusammensetzungen, so trat in ihnen der Hauptton auf die Vorsilbe. Deshalb haben wir heute Urlaub und Urteil neben später neugebildetem erlauben und erteilen. 18. „Grimmsches Gesetz“ (Rasmus Rask. Franz Bopp. Jakob Grimm). Die Besonderheiten der germanischen Konsonanten wurden vom dänischen Philologen Rasmus Rask(1787-1832) und dem deutschen Gelehrten Franz Bopp(1791- 1867) erforscht. Ihre Entdeckungen vervollkommnete Jakob Grimm(1785-1863) in der 1822 erschienenen 2. Auflage seiner „Deutschen Grammatik“. J. Grimm bezeichnete die regelmäßige Veränderung der germanischen Verschlusslaute als germanische (erste) Lautverschiebung. Später hat sie auch den Namen „Grimmsches Gesetz“ erhalten, besonders in der englischen Germanistik. Germanische oder erste Lautverschiebung – gleichartige Veränderung von Lauten um 500 v. Chr., durch die sich die germanischen Sprachen von der übrigen indogermanischen Sprachen lösten. Die auffälligste Erscheinung der ersten Lautverschiebung ist die Veränderung der harten Verschlusslaute (Tenues) p,t,k. Sie werden im Anfang des Wortes und auch, wenn die vorausgehende Silbe betont war, zu den entsprechenden Reibelauten (Spiranten)f,þ (gesprochen wie englisch th) und ch. p-f:lat. pater : got. fadar (nhd. Vater) griech. pente, got. fimf (nhd. fünf), russ. пять, ukr. п’ять; t-þ: lat. tres, got.þreis, eng. three (nhd. drei), russ. три k- ch (h) lat. octo, got.ahtau, (nhd. acht), russ. восемь 19. Die phonologischen Besonderheiten im Mittelhochdeutschen (Abschwächung der Vokale, Schwund der Vokale). Die langen und kurzen Vokalphoneme â, ô, ú, î, i; a, o, u, e, i sind im Mittelhochdeutschen in unbetonter Stellung zu e[ə] abgeschwächt oder gänzlich geschwunden. a) Abschwächung der Vokale ahd. tagâ, -a > mhd. tage 'Tage' ahd. gesti -i > mhd. geste 'Gäste' ahd. nâmum -u > mhd. nâmen '(wir) nahmen' ahd. gibirgi -i > mhd. gebirge 'Gebirge' b) Schwund der Vokale am Wortende oder in der Wortmitte ahd. grôƷiro > mhd. græƷer 'größer' ahd. hêrisôn > mhd. hersen 'herrschen' ahd. ginâda > mhd. g(e)nâde 'Gnade' Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Abschwächung der Vokale und dem Charakter der Wortbetonung. In den Sprachen mit beweglicher Wortbetonung verlagert sich die Betonung in verschiedenen Wortformen von einer Silbe auf die andere, was alle Vokale im Wort vor Abschwächung und Wandel schützt. Die germanische Akzentverlagerung auf die Stammsilbe, deren Folge der beständige starke Atemdruck auf einer Silbe und die beständige unbetonte Stellung anderer Silben im Wort sind, begünstigte eine verschiedenartige Entwicklung der Vokale in betonten und in unbetonten Silben und bildete die Voraussetzung für die Abschwächung der Vokale in unbetonten Silben. Die Abschwächung der Vokale in unbetonter Stellung vollzog sich in allen Epochen deutscher Sprachgeschichte. Die unbetonte Stellung im Wort war eine der Voraussetzungen für den Schwund der meisten stammbildenden Suffixe der Substantive in der vorliterarischen Zeit, z. B. germ. dagaz → ahd. tag. Die Abschwächung der unbetonten Vokale ist auch in der althochdeutschen Zeit zu beobachten, z. B. die Kürzung der Vokaldauer: ahd. N. PI. tagâ und auch schon taga, woraus mhd. tage; es beginnt auch der Wandel unbetonter kurzer Vokale zu [ə]: ahd. wintar und auch schon winter, ahd. G. Sg. hanin und auch schon hanen; sehr häufig sind im Althochdeutschen die Zwischenstufen der Abschwä-chung; u — o — e [ə] zu treffen: ahd. tagum und tagom, tagon, woraus mhd. tagen. Die Abschwächung der Vokale vollzieht sich auch in der neuhochdeutschen Zeit. Ein Wendepunkt in der Geschichte der Abschwächung der Vokale ist der Ausgang des althochdeutschen Zeitalters. Bis zum 10. – 11. Jh. gibt es im Deutschen trotz der Wirkung der Abschwächung keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen dem phonologischen Bestand der betonten und der unbetonten Phoneme im Wort. Sowohl in dem betonten Morphem, als auch in den unbetonten Morphemen konnte ein beliebiger kurzer oder langer Vokal erscheinen, z. B. ahd. sunu, tagâ, gesti, snêo, zunga, zungûn, nemamês, habên u. a. Die Anhäufung der Abschwächungsakte gegen Ende der althochdeutschen Sprachperiode bewirkte es aber, dass in den ersten mittelhochdeutschen Sprachdenkmälern alle Vokale in unbetonten Morphemen zu [ə] gewandelt oder gänzlich geschwunden waren. Den alten phonologischen Bestand bewahren die Haupt- oder Nebenton tragenden betonten Morpheme: a) Wurzelmorpheme, z. B. jâr 'Jahr', bluome 'Blume'; b) betonte Ableitungspräfixe, z. B. antlaƷ 'Sündenvergebung', imbiƷ 'Imbiss', urteil 'Urteil'; c) zweite Komponenten zusammengesetzter Wörter, z. B. buochstab 'Buchstabe', juncvrouwe 'Jungfrau', 'Jungfer'; d) Ableitungssuffixe, z. B; armuot 'Armut', künegin 'Königin', lobelîh 'lobenswert', 'ruhmreich'. Infolge der Abschwächung der Vokale in unbetonten Silben entstand im Mittelhochdeutschen der Gegensatz zwischen dem phonologischen Bestand betonter und unbetonter Morpheme, der auch die deutsche Gegenwartssprache kennzeichnet, z. B.: ahd. tagâ, -a > mhd. tage 'Tage'; ahd. gesti > mhd. geste 'Gäste'; ahd. zunga > mhd. zunge 'Zunge'; ahd. D. PI. zungûn > mhd. zungen; ahd. habên > mhd. haben 'haben'; ahd. nemamês → mhd. nemen '(wir) nehmen'; ahd. snêo > mhd. snê 'Schnee'; ahd. sunu, sun > mhd. sun 'Sohn'. 20. Die phonologischen Besonderheiten des Althochdeutschen (Allgemeines über die Aussprache von einzelnen Buchstaben: Anhand „des Hildebrandliedes“) Die damalige Sprache enthält Vokalverbindungen, die wir in deutschen Wörtern nicht mehr kennen, z. B. u + obei muotin, i + u bei heriun Manche Unterschiede gegenüber der heutigen deutschen Sprache sind aus der Schreibung nicht ohne weiteres ersichtlich, so zum Beispiel die Aussprache des h bei sih oder bei rihtun. Hier bezeichnet das hbei sih den Lautch, wie wir ihn in dem Zahlwort achtsprechen. Das u, das in Wörtern wie urhettun, untar, sunufatarungo dem heutigen u gleichkommt, bezeichnet in Wörtern wie tuem und suert annähernd den Lautwert unseres heutigen w. Darüber hinaus sind vor allem zwei Besonderheiten gegenüber dem heutigen Laut- und Buchstabengebrauch zu erwähnen: - das đ in đat, Hađubrant, guđhamun (das đ entspricht in der Aussprache annähernd dem Lautwert des englischen in that oder in weather); - die Schreibung gg in seggen und tt in urhettun. Die Schreibung ggund tt kennzeichnet die für uns heute ungewöhnlich gewordene Länge der Konsonanten. Hildebrandliedes(9. Jahrhundert): Ik gihorta đat seggen, đat sih urhettun ænon muotin, Hiltibrant enti Hađubrant untar heriun tuem. sunufatarungo iro saro rihtun, garutun se iro guđhamun, gurtun sih iro suert ana, helidos, ubar hringa, dô sie to dero hiltiu ritun. 21. Die Entwicklung des Phonems [ʃ] im Mittelhochdeutschen. Das Althochdeutsche besaß kein [ʃ]. Die Entwicklung dieses Phonems beginnt im 11. Jh. aus der Konsonantenverbindung sk. Seit dieser Zeit erscheint die Schreibung sch, die im 12. Jh. allgemeine Verbreitung bekommt: ahd. skînan 'scheinen' > mhd. schînen ahd. skôni 'schön' > mhd. schœne ahd. skuld, sculd 'Schuld' > mhd. schuld Die Schreibung sch legt die Annahme nahe, dass der Laut k zuerst an das vorausgehende s assimiliert wurde, um dann später mit ihm zu verschmelzen: sk > sch > [ʃ]. Ein ähnlicher Lautwandel fand auch im Englischenstatt. Vgl.: ahd. skif > nhd. Schiff; ae. scip > e. ship; ahd. fisk > nhd. Fisch; ae. fisc > e. fish. Seit dem 13. Jh. wird [s] zu [ʃ] im Wortanlaut vor l, m, n, w. Für die Bezeichnung des [ʃ] wurde die bereits vorhandene Schreibung sch benutzt: ahd. slâfan, mhd. slâfen > nhd. schlafen ahd. smerzo, mhd. smerze > nhd. Schmerz ahd. snêo, mhd. snê > nhd. Schnee ahd. swarz, mhd. swarz > nhd. schwarz. In einigen Wörtern wird auch rs zu rsch: ahd. kirsa, mhd. kirse > nhd. Kirsche ahd. hêrisôn, mhd. hêrsen > nhd. herrschen. Etwas später entwickelt sich das [ʃ] auch vor p und t, obwohl es in der Schreibung unbezeichnet blieb: ahd. spâti, mhd. spæte > nhd. spät [ʃ] ahd. starc, mhd. starc > nhd. stark [ʃ] 22. Das Neuhochdeutsch ([Bearbeiten]Herausbildung der einheitlichen Literatursprache). Änderungen im Wortschatz. In der neuhochdeutschen Periode kam es endlich zur Entstehung der einheitlichen deutschen Literatursprache mit überlandschaftlichem Charakter. Zum großen Teil basierte diese Gemeinsprache auf der ostmitteldeutschen Variante des Deutschen. In Wirklichkeit aber war die Literatursprache ein Konglomerat verschiedener Dialekte und Varianten der deutschen Sprache. Größeren Wandel erfuhr in dieser Periode der Wortschatz der deutschen Sprache, und zwar durch kontinuierlicheÄnderungen im politischen und gesellschaftlichen Leben und durch den Fortschritt der Wissenschaft und Technik. Neue Wörter wurden geprägt oder sie änderten ihre Bedeutung, Fremdsprachen übten auch Einfluss auf die deutsche Sprache aus. Das 18. Jahrhundert, das Zeitalter der Aufklärung, war das Zeitalter der Anfänge der modernen Wissenschaft, was auch auf den Wortschatz der deutschen Sprache Einfluss hatte. Neue Wörter wurden geprägt (zum Beispiel Sauerstoff, nach Vorbild des französischen oxygène gebildet). Die Sprache der Wissenschaft beeinflusste aber auch die Gemeinsprache, die viele Wörter aus dem Fachwortschatz einzelner Wissenschaftsgebiete übernahm. Aus dem Wortschatz der Philosophie wurden Wörter wie Bedeutung, Bewusstsein, Verhältnis, Verständnis übernommen, aus dem Bereich der Mathematik Abstand, Schwerpunkt, Spielraum (viele dieser philosophischen und mathematischen Begriffe stammen vom Universitätsgelehrten, Philosophen und dem Mathematiker Christian Wolff). Wie in früheren und späteren Perioden wurde die deutsche Sprache durchFremdsprachen beeinflusst, besonders Französisch, seinerzeit die Sprache eines Großteils des Adels und der wissenschaftlichenElite. Aus der französischen Sprache übernahm man insbesondere Wörter, die sich auf die Mode bezogen, aber auch Verwandtschaftsbezeichnungen: Onkel, Tante, Cousin, Cousine sind alle französischer Herkunft. Viele Dichter und Wissenschaftler versuchten, gegen diese fremden Einflüsse zu kämpfen. Zu nennen ist hier vor allem Joachim Heinrich Campe1746-1818), der bekannteste Sprachpurist dieser Zeit. In seinem „Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke“ (1801–1804) rief er nach der Verdeutschung dieser Fremdwörter. Von Campe stammen zum Beispiel Erdgeschoss (das er für Parterre vorschlug), Hochschule (Universität) oder Stelldichein (Rendezvous). Auch Dichter dieser Zeit trugen zur Bereicherung der deutschen Sprache durch Neuprägungen bei, durch welche sie Fremdwörter zu ersetzen versuchten. Von Johann Christoph Gottsched stammen angemessen (für adäquat), Begeisterung (Enthusiasmus), von Friedrich Gottlieb Klopstock – Einklang (Harmonie), von Johann Wolfgang von Goethe – beschränkt (für borniert) und hochfahrend (arrogant) und von Friedrich Schiller – Gaukelbild (für Phantom). 23. Theoretische Beschäftigung mit der deutschen Sprache (das 17. Und das 18. Jh.). Matthias Kramer. Johann Christoph Adelung. Im 17. und 18. Jahrhundert vertiefte sich das wissenschaftliche Interesse für die deutsche Sprache. Obwohl auch im 18. Jahrhundert der Einfluss von Dichtern, die sich der Sprachpflege widmen, noch groß ist, tritt zu dieser Zeit erstmals das Ziel der Vereinheitlichung der Orthographie besonders für die Schulen in den Vordergrund. Wörterbücher wurden verlegt, darunter Großes Teutsch-Italienisches Dictonarium, oder Wort- und Red-Arten-Schatz der unvergleichlichen Hoch-teutschen Grund- und Hauptsprache von Matthias Kramer (1700)), Teutsch-Lateinisches Wörterbuch von Johann Leonhard Frisch (1741) und vor allem der fünfbändige Versuch eines vollständig grammatisch-kritischen Wörterbuchs der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der oberdeutschen von Johann Christoph Adelung (1774–1786), mit dem der Verfasser ein normatives Werk für alle Deutsch Sprechenden und Schreibenden zu schaffen versuchte. Johann Christoph Adelung verfasste auch Werke aus dem Bereich der Grammatik, wie Deutsche Sprachlehre (1781) oder Umständliches Lehrgebäude der Deutschen Sprache (1782). Früher (1748) erschien die Grundlegung einer Deutschen Sprachkunst, nach den Mustern der besten Schriftsteller des vorigen und jetzigen Jahrhunderts von Johann Christoph Gottsched, der sich auch für die Einfachheit, Klarheit und Sachlichkeit im Geiste der Aufklärung einsetzte. Johann Christoph Gottsched erhebt die Großschreibung zur Norm und quasi rechtfertigend den Begriff „Hauptwort“ für das Substantiv einführt. Gottsched wird abgelöst durch Johann Christoph Adelung, der 1788 eine Rechtschreibungslehre verfasst, die den „Normfindungsstand seiner Zeit“ endgültig festschrieb. Zu großen Teilen ist es schon unsere heutige Orthographie, die auch Adelung schon festschreibt. Und seit Adelung zieht sich eine bruchlose orthographische Kontinuität durchs Deutsche, die vor allem in der schulgrammatischen Tradition ihren Ausdruck findet. Trotz Adelungs Dominanz und der relativen orthographischen Vereinheitlichung existieren zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch variable Schreibweisen. Drei Personengruppen setzen sich für eine Vereinheitlichung ein: im Schulwesen Tätige, sprachwissenschaftliche Theoretiker und der Staat. Während erstere Gruppe (wichtige Vertreter sind Heyse und Becker) sich vor allem für das phonetische und pragmatische Prinzip einsetzen, fordern einige Sprachwissenschaftler (vor allem Jacob Grimm) ein Vorgehen nach dem etymologischen Prinzip. 24. Die deutsche Sprache im 19. Jahrhundert. [Bearbeiten] Entstehung der modernen Sprachwissenschaft die Brüder Grimm. Wilhelm Scherer. Hermann Paul. Georg Wenker. Das 19. Jahrhundert war das Zeitalter der Industriellen Revolution in deutschen Ländern. Vor allem der Fortschritt der Wissenschaft und Technik beeinflusste die Entwicklung der deutschen Sprache durch Neubildung von Wörtern und neue Bedeutungen der Wörter; neue gesellschaftliche Prozesse kamen in der Sprache auch zum Ausdruck. [Bearbeiten] Entstehung der modernen Sprachwissenschaft Der allgemeine wissenschaftliche Fortschritt erfasste Anfang des 19. Jahrhunderts auch die Sprachwissenschaft. Seit dieser Zeit datiert die Linguistik in dem heutigen Sinne des Wortes, deren Vertreter sich nicht auf Erarbeitung bestimmter Normen, Sprachpflege oder Bekämpfung von Fremdwörtern (wie im 17. und 18. Jahrhundert), sondern auf die Untersuchung der Geschichte und Gegenwart des bestehenden Sprachsystems konzentrieren. Die führenden Sprachwissenschaftler dieser Zeit waren die Brüder Grimm, Autoren des Deutschen Wörterbuchs, dessen erster Band 1854 erschien (das Wörterbuch wurde erst 1960 vollendet), und vieler anderer Werke auf dem Gebiet der Germanistik, zum Beispiel der historisch-vergleichenden Deutschen Grammatik von Jacob Grimm aus 1819. Den Brüdern Grimm, die als Begründer der modernen Germanistik gelten, folgten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die so genannten Junggrammatiker, die sich auch vor allem für die historische Entwicklung der deutschen Sprache und Indogermanistik interessierten. Zu den Vertretern dieser Richtung gehörten Wilhelm Scherer, Autor des Werks Zur Geschichte der deutschen Sprache (1868) und Hermann Paul, Autor der Prinzipien der Sprachgeschichte. Ihre Forschungen und Vergleichsversuche indogermanischer Sprachen brachten sie zu der Formulierung der These von der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze. Der Versuch der Bestätigung dieser These führte zum Beginn der Arbeiten am Sprachatlas des Deutschen Reiches von Georg Wenker im Jahre 1876, die bis heute fortgesetzt werden (der Versuch widerlegte übrigens auch diese Hypothese und zeigte, dass sprachliche Prozesse viel komplizierter sind, als sich dies die Junggrammatiker vorstellten). 25. [Bearbeiten] Änderungen im Wortschatz der deutschen Sprache des 19. Jahrhunderts. Das 19. Jahrhundert war das Zeitalter der Industriellen Revolution in deutschen Ländern und deren politischen Aufstiegen, die in der Vereinigung Deutschlands 1871 gipfelten. Vor allem der Fortschritt der Wissenschaft und Technik beeinflusste die Entwicklung der deutschen Sprache durch Neubildung von Wörtern und neue Bedeutungen der Wörter; neue gesellschaftliche Prozesse kamen in der Sprache auch zum Ausdruck. Im 19. Jahrhundert führte der wissenschaftliche und technische Fortschritt zur schnellen Entwicklung des Fachwortschatzes. Aus der Notwendigkeit, neue Erfindungen und Entdeckungen zu benennen, entstanden neue Wörter wie elektrisch, Elektrizität (lateinischer Herkunft) und vieler neuer Komposita wie Waschmaschine, Nähmaschine, Gasanstalt, Eisenbahn. Neuer Wörter bedurften auch neue Erscheinungen aus dem politischen und gesellschaftlichen Leben, wie Reichsgesetz, Streik. Viele der neuen Wörter waren fremder, meist englischer oder französischer Herkunft (Lokomotive, Telegramm, Perron, Coupé, Conducteur, Billet), was aus dem wirtschaftlichen Übergewicht dieser Länder Anfang des 19. Jahrhunderts resultierte. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden sie, unter anderem wegen der nationalistischen Stimmungen im damaligen Deutschland, zum Teil durch deutsche Wörter (Bahnsteig, Abteil, Schaffner, Fahrkarte) verdrängt. 26. Normierung der deutschen Rechtschreibung und Aussprache. Konrad Duden. Theodor Siebs. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war die deutsche Rechtschreibung nicht normiert in dem Sinne, dass es keine amtlichen, für alle verbindlichen orthographischen Regeln gab. Erst 1880 versuchte Konrad Duden die Fragen der deutschen Rechtschreibung zu regeln, als er in diesem Jahr sein Vollständiges orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache herausgab. Die Vorschläge Dudens wurden weitgehend auf der Orthographischen Konferenz im Jahre 1901 angenommen, auf der erstmals in der Geschichte der deutschen Sprache die deutsche Rechtschreibung amtlich festgelegt wurde. Die Regeln, die damals angenommen wurden, galten bis zur Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996. Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte auch die Normierung der deutschen Aussprache. Zum Standardwerk wurde hier Die Deutsche Bühnenaussprache (1898) von Theodor Siebs. (это было в лекции и это – основное – можно взять на шпору). Ниже – та же самая инфа, только в деталях. Zum Ende des 19. Jahrhunderts hin die der Schulbehörden und des Staates um eine Normierung der Rechtschreibung einen gewissen Erfolg. In dem Wettstreit um den Rang als deutsche Standardsprache setzt sich während der Periode des Neuhochdeutschen ein genormtes Ostmitteldeutsch durch. Treibende Kräfte dieser Normierung, die eine Voraussetzung für die Herausbildung einer einheitlichen Orthographie ist, sind Sprachgelehrte und Grammatiker. Mit der Gründung des Deutschen Reichs übernimmt der Staat die Aufsicht über weitere Entwicklungen und lädt schulgrammatische Vertreter und pragmatischer eingestellte Sprachwissenschaftler (vor allem Konrad Duden) zur 1. Orthographischen Konferenz in Berlin ein. Die Ergebnisse der Konferenz werden allerdings aufgrund ihrer Radikalität (wie beispielsweise dem Beschluss, <h> und Vokalverdoppelung als Längenmerkmal wegzulassen, also Bare, Fane, Hun, Mos zu schreiben) von den Behörden abgelehnt (Scheuringer 76f, Lang 11). 1880 erscheint im Staatsauftrag der erste Duden als Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Duden wird dadurch ab diesem Zeitpunkt und auch durch seine folgenden Publikationen zur ausschlaggebenden Autorität, was die deutsche Orthographie betrifft. 1901 findet die 2. Orthographische Konferenz in Berlin mit dem Ziel der Vereinheitlichung der deutschen Rechtschreibung statt (Lang 11). 1902 erscheint als Ergebnis eine „Veröffentlichung des amtlichen Regelswerks Regeln der deutschen Rechtschreibung nebst Wörterverzeichnis“–verbindlich für Schulen und staatliche Behörden (Lang 12). Die Änderungen umfassen z.B. die „Beibehaltung der verschiedenen und eingebürgerten Möglichkeiten der Wiedergabe langer Vokale“ und die Festschreibung der Groß- und Kleinschreibung. 27. Das Interpretieren des Begriffs „der Germane“. Die Herkunft des Begriffs „Germane“ ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt. Das antike Volk, das wir heute als Germanen bezeichnen, nannte sich ursprünglich nicht selbst so. "Germanen" ist eine Fremdbezeichnung für die rechtsrheinischen Völker durch die Römer. Der Name "Germanen" hat sich als Oberbegriff all dieser Volkschaften etabliert, aber die Menschen haben sich selbst damals nicht als Einheit gesehen. Der Begriff "Germanen" erscheint im 2. Jh. v. Chr. zunächst als Beiname ohne Bezug zu den nordalpinen Völkerschaften. Etwa 90 v. Chr. wird er in antiken Quellen erstmals für die nördlichen Nachbarn jenseits der römischen Provinzen verwendet. Die ursprüngliche Wortbedeutung ist nicht bekannt. Seinen Durchbruch hatte der Begriff mit Caesars Beschreibung seiner Gallischen Kriege. Er verwandte diese Bezeichnung nur für die östlichen Nachbarn der Gallier. Die Germanen könnten zunächst als Kelten, als `echte Gallier´ (Galli germani), angesehen und von den Römern benannt worden sein. Tacitus, ein weiterer Römer beschrieb in seinem Werk "Germania" die Entstehung des Germanenbegriffs so, daß der erste Stamm, der den Rhein in Richtung Gallien überschritt und die dort siedelnden Gallier vertrieb, Germanen genannt wurde. Dieser Name wurde bald auf alle Stämme östlich des Rheins übertragen. Das Wort Germanen ist nicht, wie häufig versucht, auf den Ger (von germ. *gaizaz), einen Wurfspeer, zurückzuführen. Es wird jedoch Verwandtschaft mit lat. germānus ‘leiblich, echt, wahr’, air. (altirisch) gairm ‘Schrei’ oder air. gair ‘Nachbar’ erwogen. Eine der Thesen besagt, der Germanen-Begriff ließe sich aus dem Keltischen ableiten. Dafür spricht die lange geographische Nachbarschaft der Kelten und Germanen. Keltische Wort „germ(en)“ bedeutete „Geschrei“ oder „Ruf“, und Germani bedeutete „die Leute des Geschreis / Rufs“. So wären Germani Schreier also Krieger, die vor der Schlacht Heldenlieder singen. Diese Theorie würde sich mit den Überlieferungen von Tacitus decken, wonach die Germanen vor einer Schlacht "Lieder, die sie Barditus nennen" sangen. Caesar könnte dann diesen keltischen Begriff übernommen und auf den gesamten rechtsrheinischen Bereich ausgedehnt haben. 28. Das Aufkommen des Wortes „deutsch“. Das Aufkommen des Wortes „deutsch" führt uns in die Zeit zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert, in der es zur ersten bewussten Zusammenfassung derjenigen germanischen Stämme kam, die später das deutsche Volk bildeten. Das Wort „deutsch" hat sich aus dem germanischen Wort entwickelt, das wir аls gotisch þiuda (Volk, Volksstamm) kennen. Z. B. diutisk (latinisiert theodiscus), mhd. diutsch (sprich dütsch) und tiu(t)sch. Es bedeutet volkhaft, volkstümlich, dem Volke eigen. Die „lingua theodisca" ist also die Sprache des Volkes im Gegensatz zu der „lingua latina", der lateinischen Sprache der Geistlichen und Gelehrten. Die romanisierten Franken in Frankreich haben seit dem 8. Jahrhundert, also seit der Karolingerzeit, mit dem Ausdruck „theodiscus" die Sprache der ostrheinischen Stämme bezeichnet. Diese zunächst rein sprachliche Bezeichnung wird allmählich durch das wachsende Gefühl volklicher Zusammengehörigkeit zu einer Bezeichnung für die Volksart und schließlich Bezeichnung für die politische Zusammengehörigkeit. 29. Die Merkmale des Althochdeutschen (Die „Benrather Linie". Die zweite Lautverschiebung). Die noch heute bestehende sprachliche Aufgliederung Deutschlands in ein niederdeutsches (oder plattdeutsches) und ein hochdeutsches Sprachgebiet ist durch die zweite oder hochdeutsche Lautverschiebung hervorgerufen worden. Sie beginnt auf deutschem Boden etwa 1000 Jahre nach der ersten Lautverschiebung, also etwa im 5. Jahrhundert, und dringt im Laufe von mehreren Jahrhunderten, von Süddeutschland ausgehend, nach dem Norden zu vor. Diese sprachliche Bewegung verebbt an der „Benrather Linie", der deutschen „Ost-West-Furche", die von Aachen über Düsseldorf, Kassel, Aschersleben, Saalemündung, Wittenberg, Doberlug, Lübben nach Frankfurta. d. Oder führt und Deutschland in ein südliches und ein nördliches Sprachgebiet teilt. (Benrather Linie markiert den nördlichen Bereich der 2. Lautverschiebung und wird mit der Tenuesverschiebung k → ch in Verbindung gebracht (maken – machen). Benannt ist die Benrather Linie nach dem Ort, in dessen Nähe sie den Rhein überschreitet.) Die Verschiebung betrifft vor allem die stimmlosen (harten) Verschlusslaute (Tenues) p, t, k. p wird a) im Inlaut und Auslaut nach Vokalen zu ff (teilweise zu f vereinfacht), b) im Anlaut und Inlaut nach Konsonanten (l, m,r und in der Verdopplung) zu pf, das nach l und r im weiteren Verlauf zuf wird: a) got. slēpan, engl, sleep: ahd. slâfan (nhd. schlafen); got. skip, engl, ship: ahd. skif (nhd. Schiff); b) got. pund, engl, pound: ahd. pfunt (nhd. Pfund); lat. planta, engl, plant: ahd. pflanza (nhd. Pflanze). t wird a) im In- und Auslaut nach Vokalen zu zz (gesprochen ss), teilweise zuz (gesprochen s) vereinfacht; b) im Anlaut und Inlaut nach Konsonanten (1, n, r und in der Verdopplung) zu tz (auch z geschrieben): a) got. itan engl. eat : ahd. ezzan (nhd. essen) got. þata eng. that : ahd. daz (nhd. das) b)got. twalif eng. twelve : ahd. zwelif (nhd. zwölf) k wird im In- und Auslaut nach Vokalen zu hh(gesprochen ch wie in acht und ich): got. brikan, engl. break: ahd. brehhan (brechen). Die stimmhaften Verschlusslaute b,d, g werden nur im oberdeutschen Gebiet zu b > p got. bairan engl. bear : obd. peran (tragen: vgl. nhd. gebären, Nachsilbe -bar). d > t got. daúhtar engl. daughter : ahd. tohter, nhd. Tochter. Im gesamten deutschen Sprachgebiet – also auch im Niederdeutschen – erfolgte nach den anderen Lautverschiebungsvorgängen noch der Wandel von Þ> d got. þreis engl. three : ahd. drai nhd. drei got. broþar engl. brother : ahd. brouder nhd. Bruder. 30. Die Vokale des Althochdeutschen (die Assimilation. Diphthongierung Monophthongierung. Der Ablaut. Das Verschwinden der kurzen Vokale). Zu den sprachlichen Besonderheiten der althochdeutschen Periode gehören die Prozesse der Entwicklung des deutschenVokalismus. 1) Vor allem geht es um die Assimilation: den Einfluss der Laute auf die anderen Laute. z.B.: die Hebung ein i: -vor [i] oder [j] der nächsten Silbe: ahd neman (брати) ® du nimis, er nimit ... -vor [u] in der nächsten Silbe: ahd neman ® ic nimu ahd helfan ® ic hilfu ... - vor den nasalen Lauten + Konsonant: ventus (lat) ® ahd wint (Wind) 2) Der Umlaut erscheint in der ahd. Zeit unter dem Einfluss [i] oder [j] in der nächsten Silbe: gast – Pl.: gesti (Gast – Gäste) kraft – kreftig (Kraft; kräftig) Die Vokalwechslung stellt die kombinatorische phonetische Änderung dar. 3). Diphthongierung Es geht um eundoaus dem Allgermanischen: e®ea ®ia got. her®ahd hear ®hiar (hier – тут) 4). Monophthongierung Germanisches aiwird zu evor den Konsonanten h, w, r und im Auslaut. got. maiza ®ahd mero (mehr). Germanisches auwird zu ovor h und im Auslaut: got. auso ® ahd ohra (Ohr). In anderen Fällen wird au zu ou: got. augo® ahd ougo (das Auge) 5). Der Ablaut Das ist der regelmäßige Wechsel bestimmter Vokale in den Wörtern, die sich im etymologischen Zusammenhang befinden. Dieser Terminus wurde von Jakob Grimm eingeführt. Der Ablaut tritt als Mittel der Formenbildung auf: ahd neman, Imperf.: nam®heute: nahmen, nahm 6). Das Verschwinden der kurzen Vokale bei den schwachen Verben im Imperfekt, wenn diese Verben einen langen Stammvokal haben: Infinitiv ahd horen, Imperfekt: horta (statt horita) 31. Der Umlaut im Althochdeutschen. Die Entwicklung Umlauts begann in den althochdeutschen Territorialdialekten in der vorliterarischen Zeit. Der Umlaut entwickelte sich im Deutschen in der Folgezeit zu einer wichtigen Art von innerer Flexion. Diese Art der Assimilation der Vokale war in Sprachdenkmalern des 8. Jh. Der Umlaut erscheint in der ahd. Zeit unter dem Einfluss [i] oder [j] in der folgenden Silbe. Die Entwicklung des Umlauts im Althochdeutschen begann um 750. Da beginnt die Umlautung des kurzen a zu kurzem e: gast – Pl.: gesti (Gast – Gäste) kraft – kreftig (Kraft; kräftig) faran – du feris (fahren – du fährst), er ferit (er fährt); Die Vokalwechslung stellt die kombinatorische phonetische Änderung dar. Der Umlaut a> e trat nicht ein: 1) vor den Konsonantenverbindungen ht, hs, lw, rw: ahd maht- mahtig (vgl. Macht - mächtig) 2) vor den h, r, l + Konsonant in den oberdeutschen Territorialdialekten: ahd. haltan – obd. haltit (vgl. halten – hält) Seit dem Ausgang des 10. Jh wurde der Umlaut des langen û orthographisch bezeichnet. Er wurde iu geschrieben: ahd. hûs - PI. hûsir, seit dem 11. Jh. hiusir ‘Haus – Häuser’. 32. Der lexikalische Aspekt des Althochdeutschen (Wörter aus der Zeit des Althochdeutschen). In althochdeutscher (frühdeutscher) Zeit führten gesellschaftliche Wandlungen zu großen Veränderungen im Wortschatz. Den größten Einfluß hatte dabei zweifellos die Hand in Hand mit der Entwicklung des Feudalismus vor sich gehende Christianisierung. Sie breitete sich auf mehreren Wegen und in mehreren Wellen über das Gebiet aus, das in diesem Zeitraum den Namen Deutschland erhielt. So drangen aus dem Süden Wörter wie: Pfingsten aus griech. Pentekosté / hēmerá / Teufelaus griech. diabolos, Engelaus griech. angelos ein. Aus dem Nordwesten kam das Wort Glocke (zu altirisch clocc). Eine Vielzahl von Wörtern drang mit der Einführung des Gottesdienstes, dem Aufbau der Kirchenorganisation und der Klöster sowie der Gestaltung des feudalen Herrschaftssystems in deutsche Sprache ein: Chor zu lat. chorus, Messe zu lat. missa, Orgel zu lat. organum, Kapelle zu lat. capella, Brief zu lat. brevis. Bildung und Unterricht waren in der damaligen Zeit ausschließlich eine Angelegenheit der Klöster. Die Klöster befassten sich aber auch mit dem Gartenbau, mit Kochkunst, Bauwesen und mit ersten Ansätzen der Krankenpflege: Birne zu lat. pirum. Auch: Rose, Veilchen, Petersilie, Zwiebel. In der Sprache der Verwaltung wurde zunächst nur das Lateinische verwendet. Deshalb stammt die Mehrzahl der damals entstandenen Wörter aus dem Lateinischen: Bezirk zu lat. circus, Vogt zu lat. vocatus (Rechtsvertreter, Richter). Auch in der Kleidung und in der Verarbeitung von textilen Grundstoffen kamen zahlreiche Neuerungen auf: Kutte, Kappe, Mantel, Pelz; Teppich zu lat. tapetum, Matte, Seide. Trotz der Christianisierung lebte eine ganze Menge an heidnischen Überresten fort – allerdings in christlicher Umdeutung: Gott, Himmel, Hölle (urspr. Aufenthaltsort der Toten); Ostern als urspr. heidnisches Frühlingsfest; Weinachten als ursprüngliche Bezeichnung für die heiligen zwölf Nächte der Wintersonnenwende. 33. Der morphologische Aspekt des Althochdeutschen (Allgemeines über Substantive, Personalpronomen,Verben). Die grammatische Seite der Entwicklung der Sprache charakterisiert sich durch Erscheinungen, die die Sprache unifizieren. Es geht vor allem um den Syntax. Eingehend findet die Unifizierung von Typen der Konjugation der Verben und Adjektive (starke, schwache), der Kasusendungen der Substantive statt – so unifiziert sich auch die Morphologie. Das althochdeutsche Substantiv weist drei Kategorien auf: Kasus – Im Ahd. sind 5 Kasus erhalten geblieben (Nom, Gen, Dat, Akk und Instrumental). Numerus – Sing. und Pl. Genus – Maskulinum, Femininum, Neutrum. Diese Kategorien ererbte das Althochdeutsche aus dem Urgermanischen, wo sie ihrerseits als Fortsetzung des indoeuropäischen Sprachzustandes zu betrachten sind. In der Deklination des germanischen Substantivs war der Typ des Stammes von entscheidender Bedeutung. Zwischen der Wurzel des Wortes und den Kasusendungen befand sich ein stammbildendes Suffix (das sog. Thema), das eigentlich den Typ der Deklination bestimmte. Im Ahd. ist das Thema mit Kasusendungen sehr oft verschwunden. Das allgemeine Bild der Deklination des Substantivs: Sing. | Nom. | tag | wort | geba | Gen. | tages | wortes | geba, -o | Dat. | tage | worte | gebu, -o | Akk. | tag | wort | geba | Instr. | tagu, -o | wortu, -o | ─ | Pl. | Nom. | taga, -á | wort | gebâ | Gen. | tago | worto | gebôno | Dat. | tagum, -om | wortum, -om | gebôm, ôn | Akk. | taga, - á | wort | gebâ | Das ahd. Pronomen verfügte über folgende grammatische Kategorien: Genus (m, f, n), Numerus (Sing, Pl.) und Kasus – die gleiche Zahl von Kasus wie beim Substantiv. Die Personalpronomen gehören zur ältesten Schicht des indoeuropäischen Wortbestandes. Einen ganz besonderen Deklinationstyp weisen die Personalpronomen der 1. und 2. Person auf. Ihre Kasusendungen kommen außer bei ihnen nirgends mehr vor. Der Nominativ und die obliquen Kasus sind von verschiedenen Stammen gebildet. Die Personalpronomen der 3. Person sind etymologisch sehr eng mit den Demonstrativpronomen verbunden und haben mit ihnen eine gleiche Kasusbildung. Die Personalpronomen hatten solche Formen: | Singular | Plural | 1.Pers. | 2. Pers. | 3.Pers. (m) | 1.Pers. | 2.Pers. | 3.Pers. | Nom. | ic | dū | er (ir) | wir | ir | sie | Gen. | min | din | sin | unsêr | iuwér | iro | Dat. | mir | dir | imu, -o | uns | iu | im | Akk. | mih | dih | inan, in | unsih | iuwih | sie | Die althochdeutschen Verben hatten folgende Formen: · das Genus des Aktivs · die Tempora des Präsens (bezeichnete die unmittelbare Gegenwart und auch Zukunft) und des Präteritums (ist die allgemeine Form für die Vergangenheit) · die Modi des Indikativs, Imperativs, Konjunktivs (drückt den Wunsch, den Zweifel, die Vermutung, die Irrealität aus; erscheint in der indirekten Rede) · die Numeri des Singulars und Plurals · an Verbalnomina einen Infinitiv des Präsens und Partizipien des Präsens und des Präteritums. Im Althochdeutschen werden die Verben in zwei Hauptgruppen eingeteilt – in starke und schwache Verben. Die ahd. starken Verben bilden ihre Präteritformen durch Vokalwechsel (Ablaut), das Partizip II auch durch Ablaut und durch n-Suffix. Eine gewöhnliche Verbform im Präsens besteht aus drei Elementen: der Wurzel, dem Themavokal und der Flexionsendung. z.B. hilf-i-t Die schwachen Verben sind eine relativ jüngere Schicht des verbalen Wortguts. Sie bilden die Formen des Präterits und des Partizips II mit Hilfe des Suffixes -t-. Dabei gibt es keinen Vokalwechsel im Verbalstamm. Die Art der Konjugation der Verben charakterisierte sich schon damals durch die Ablautreihen. Es waren 6 (7) Ablautreihen. Als Beispiele wird hier das Konjugieren von einigen Typen der Verben dargestellt: | starkes Verb | | schwaches Verb | | Infinitiv | helfan (helfen) | zellen (erzählen) | salbôn (salben) | (haben) | Präsens: | ih | hilfu | zellu | salbô | habén | du | hilfis | zelis | salbôs | habés | er | hilfit | zelit | salbôt | habét | wir | helfemés | zellemés | salbômés | habénmés | ir | helfét | zellet | salbôt | habét | sie | helfant | zellent | salbônt | habént | Präteritum: | ih | half | zalta | salbôta | habéta | du | hulfi | zaltôs | salbôtos | habétos | er | half | zalta | salbôta | habéta | wir | hulfun | zaltun | salbôtun | habétun | ir | hulfut | zaltut | salbôt | habét | sie | hulfun | zaltun | salbôtun | habétun | Partizip: | giholfan | gizalt | gisalbôt | gihabét | 34. Der syntaktische Aspekt des Althochdeutschen (Allgemeines über den Satzbau). Der althochdeutsche Satzbauererbte Charakterzüge des Indoeuropäischen. Sie sind folgende: 1. Die vorherrschende Satzform ist derzweigliedrigeSatz mit einer Subjekt-Prädikat-Struktur: z.B. Thō uuîb habéta einen sun. – Die Frau hatte einen Sohn. Die eingliedrigeSätze kommen sehr selten vor: z.B. EƷ âbandêt – Es wird Abend; EƷ nahtêt – Es wird Nacht; EƷ ist spâti – Es ist spät. 2. Die Hauptausdrucksmittel der syntaktischen Beziehungen zwischen den Wörtern im Satz sind Kongruenz und Rektion. Die Wortstellung im einfachen Satz vereinigte freie und feste Regeln. Im Großen und Ganzen hängte die Stellung des Subjekts, Objekte und Attribute meist mit der kommunikativenAufgabe zusammen. Das Subjekt ist meist der Ausgangspunkt des Satzes und nimmt die erste Stellung im Satz ein (die gerade Wortfolge): z.B. Sie sint guote liutin. – Sie sind gute Leute. Die invertierte Wortfolge weist meist darauf hin, was der Sprecher im Satz unterstreichen will: z.B. In thaƷ gebirgi floh her. – In das Gebirge floh er. Thô quad iru der heiland: „gib mir trinkan“. – Da sagte ihr der Heiland: „Gib mir zu trinken!“ Sus in uuege quam ein uuîb. – Da kam des Weges ein Weib. Vorangestellt werden manchmal auch die anderen Satzglieder, wenn sie im Satz „das Neue“ (das Rhema) sind: z.B. Einen man uueiƷ ik. – Einen Man kenne ich. Tot ist her. – Tot ist er. Das Prädikat im Althochdeutschen offenbart sich die Tendenz zur festen Stellung im Satz: Der häufigste Fall ist wohl die Zweitstellung: Sum man gieng in ferra lantscaf. – Ein Mann reiste in ein fernes Land DaƷ uuîb quad: „ni habu gomman.“ – Das Weib sagte: „/Ich/ habe keinen Man“ Verbreitet ist aber auch die Anfangsstellung des Prädikats im Aussagesatz. In der Regel hat die Anfangsstellung des verbalen Prädikats eine stilistische Funktion: Sie verleiht der Erzählung die epische Gehobenheit. Das Prädikat kann allein oder mit ergänzenden Satzgliedern das Rhema des Satzes sein. Z.B.: Fater, zelluh (zellu ih) thir ein … – Fater, (ich) erzähle dir eins … Die Aufforderungssätze zeigen auch regelmäßig die Anfangsstellung des Prädikats. Das zeigt sich in der Regel in Ausrufungssätzen und in Fragesätzen mit dem Fragewort: Gib mir trinkan! – Gib mir zu trinken! Uuer pist dû? Uuna guimis?– Wer bist du? Woher kommst du? Auch Fragesätze ohne Fragewort sind durch die Anfangsstellung des Prädikats gekennzeichnet; die Partikel eno („etwa“) in solchen Sätzen ist kein Satzglied: Eno bin ich iz, brouder?Bin das ich etwa, Bruder? Eno nist (ni ist) these din sun? Ist das etwa nicht dein Sohn? Trotz der Tendenz zur Zweitstellung des verbalen Prädikats sind die Fälle nicht selten, wo das Prädikat am Satzende steht, z. B.: Alla thesa naht arbeitende niuuih ni gifiengumês (Endstellung). Die ganze Nacht haben wir gearbeitet und nichts gefangen. Ansätze zur Entwicklung der verbalen Klammer Gewisse Ansätze zur Entwicklung der verbalen Klammer sind bereits im Althochdeutschen vorhanden. Die Teile des biverbalen Prädikats nehmen folgende Stellung zueinander ein: 1) Unmittelbare Kontaktstellung: Her frâgên gistuont min sun. – Er begann, meinen Sohn zu fragen. 2) Klammer: Nioman ni mag zuuein herrôn thionôn. – Keiner kann zwei Herren dienen. 3) Kontaktstellung: Sin sun uuascund themo uns. – Sein Sohn war uns bekannt. 4) Klammer: Huob her gundfanon ûf. – Er hob die Kriegsfahne auf. |